Tobias Kratzers mutiger Einstand an der Staatsoper Hamburg polarisiert und begeistert

Tobias Kratzers mutiger Einstand an der Staatsoper Hamburg polarisiert und begeistert
Das entscheidende Geschenk
Teaser: Tobias Kratzer übernimmt als neuer Intendant die Staatsoper Hamburg – und startet mit einer mutigen Inszenierung von Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“.
Artikel: Tobias Kratzer hat einen markanten Einstand als neuer Intendant der Staatsoper Hamburg hingelegt. Seine kühne Neuinterpretation von Robert Schumanns Oratorium „Das Paradies und die Peri“ (1843) verleiht dem Werk eine zeitgenössische Dringlichkeit. Die Premiere löste sowohl begeisterten Applaus als auch vereinzelte Buhrufe aus, doch am Ende feierte das Publikum die Aufführung mit jubelnder Zustimmung.
Schumanns Oratorium, inspiriert von Thomas Moores „Lalla-Rookh“, erzählt die Geschichte der Peri, eines engelhaften Wesens auf der Suche nach einem Geschenk, das ihr den Eintritt ins Paradies ermöglicht. Anders als bei vielen Opern jener Zeit stammte das Libretto nicht von einem professionellen Textdichter, sondern wurde von Schumann selbst und seinem Freund Emil Flechsig auf Basis einer deutschen Übersetzung von Moores Erzählung verfasst.
Kratzers Inszenierung bricht bewusst mit der Tradition und verlegt die Handlung in eine moderne Kriegszone. Der dritte Akt thematisiert explizit die Klimakrise – Kinder spielen unter einer Plastikkuppel. Eine drastische Mordszene, die die Tötung eines schwarzen Jugendlichen zeigt, wird kollektiv auf der Bühne dargestellt, in stage blood getränkt.
Der Regisseur durchbricht zudem die vierte Wand: Die Sängerin Vera-Lotte Boecker, in der Rolle der Peri, klettert über die Zuschauerreihen und setzt sich zu einer weinenden Besucherin. Kameras schwenken durchs Publikum und fügen so weitere Kommentarebenen hinzu. Kratzer hat angekündigt, die Staatsoper Hamburg stärker für die breitere Stadtgesellschaft öffnen zu wollen.
Die provokante Bühnenfassung spaltete zwar einige Zuschauer, doch die Mehrheit reagierte begeistert. Kratzers Vision für das Opernhaus – geprägt von gesellschaftlicher Relevanz und Publikumsnähe – ist damit in Gang gesetzt. Seine nächsten Schritte werden maßgeblich prägen, wie sich die Institution in das Hamburger Kulturleben einbindet.

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